Viele Werbe- und PR-Agenturen machen immer mehr in Video und setzen auf Bewegtbild in der Online-Kommunikation und in den sozialen Medien. Darüber habe ich ja schon vor ein paar Wochen gebloggt. Aber merken das die klassischen Fernsehproduktionsunternehmen? Oder ziehen die Werber hier gerade einen neuen Markt hoch? Dazu habe ich mich mal umgehört und beispielsweise mit Jens Linnebach von cam&cut Berlin, Piet Pabst von eyescream Hamburg und Klaus v. Dobschütz von Sabelli Film Schwerin gesprochen.
Um die Überraschung vorwegzunehmen, die Entwicklung scheint viele TV-Firmen erstmal wenig zu beeindrucken. Lediglich der Preisverfall bereitet Sorgen. Jens Linnebach, der u.a. für zdf.neo den „Kopf der Woche“ produziert, schrieb mir: „Die Budgets haben sich verringert, was einerseits mit einem verstärkten Wettbewerb in der Medienbranche, andererseits aber auch mit günstigerer Kameratechnik zu tun hat.“ Ohnehin sei das Geschäft mit Webvideos noch sehr gering, glaubt er. Auch bei den Sabelli Film spielt Online-Video eigentlich keine Rolle, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. In diesen Segment seien die erwarteten Tageshonorare oft nicht kostendeckend, verriet man mir. Mit den Öffentlich-Rechtlichen hingegen, den Haupt-Auftraggebern der Studio-Hamburg-Tochter, gibt es z.B. feste Tagessätze. Immerhin: die Auftraggeber freier Produktionen fordern immer öfter das Material für die eigenen Youtube-Kanäle ab.
Piet Pabst findet, dass die Produktionsfirmen flexibler werden müssten „Früher waren die Filmfirmen eher monothematisch aufgestellt. Die Zeit, in der eine Firma nur Werbefilme fürs Fernsehen dreht, sind aber vorbei.“ Dokumentationen, Reportagen und Imagefilme für Messen sind für viele Produktionsfirmen das tägliche Brot, nur die Berührungsängste „etwas nur für Online“ zu produzieren sind nicht mehr zeitgemäß. Er selbst produziert „Tischgespräche“, eine Art Society-Talk, der bei T-Entertain und im Ballungsraum-TV läuft. Auf verschiedenen Portalen und bei youtube gibt es immerhin Kurzfassungen der Sendungen zu Promozwecken – Hauptvertriebskanal bleiben aber die Sender.
Die Fernsehbranche ist ohnehin seit Jahren von vielen Kleinfirmen und unzähligen Selbständigen geprägt, die einzeln oder im Team für die großen Produktionsfirmen arbeiten. Da fällt es den TV-Produktionen wohl kaum auf, wenn ein Teil der freien Crewmitglieder jetzt mehr auf Webvideo setzt. Für die Freelancer ist das Web-Zusatzgeschäft willkommen und wird sicher zunehmen.
Verschlafen die Filmfirmen den Webvideomarkt?
Das es auch anders geht, zeigt folgendes Beispiel: Die niedersächsische TVN Holding hat schon seit Jahren neben Fernsehen auch Unternehmenskommunikation im Fokus und produziert z.B. für VW verschiedene On- und Offline-Formate. Und neben den Corporate-TV-Produzenten und Werbeagenturen werden sich wahrscheinlich auf Onlinevideo spezialisierte Firmen wie movingimage24 einen Teil des wachsenden Marktes sichern. Die Berliner produzieren nicht nur Unternehmensinhalte direkt fürs Internet, sondern betreiben mit Jobtv24 die größte Videorecruiting-Plattform. Da ist es natürlich von Vorteil, wenn man Produktion und Distribution unter einem Dach vereinen kann und die Redakteure die Sehgewohnheiten im Internet kennen.
Ich bin gespannt, wann wir die Parität beim Bewegtbildkonsum zwischen dem programmierten Fernsehen und dem IP-TV / den Webvideos erreichen. Ob es dann den klassischen TV-Firmen so geht, wie jetzt den Zeitungsverlagen?