Gruner+Jahr: Corporate Media statt FTD & Co.?

Die Financial Times steht vor dem Aus. In den letzten Tagen hatten sich Gerüchte erhärtet, wonach Gruner+Jahr einen Teil seiner Wirtschaftsmedien einstellen wird. Wie die FAZ heute berichtete, wird die FTD eingestellt und die Zeitschriften „Impulse“ und „Börse Online“ sollen verkauft werden. Dafür will sich G+J im Bereich Wirtschaftsmedien von 330 Mitarbeitern trennen. Ganz anders sieht es im Corporate-Media-Verlagsgeschäft “G+J Corporate Editors” aus. Hier ist man auf Expansionskurs und hat etwa 20 Titel bekannter Marken im Portfolio. Neben der Laviva von REWE produziert die Verlagstochter teils crossmediale Angebote für Lufthansa, Audi, Nivea, sowie für Post und Bahn. Damit hat der Verlag in dem Sektor eine Menge der deutschen Top-Brands unter Vertrag. Dies passiert auch qualitativ auf hohem Niveau, was zahlreiche Auszeichnungen belegen.

Fast 40% mehr Gewinn im Corporate-Markt

2011 konnte der Ertrag im Corporate-Media-Geschäft um 39 Prozent gesteigert werden – im Gegensatz zu den journalistischen Wirtschaftsmedien wie die der Financial Times, die von Anfang an nur Verluste einbrachte und zuletzt nur noch 42.000 Abonnenten zählte. Für das Wachstum waren u.a. Kundenmagazine, Geschäftsberichte, Imagefilme und Ipad-Apps verantwortlich. Das sind alles Titel, die vom journalistischen Geschick und Handwerk der Verlagsgruppe leben aber nicht auf Verkaufszahlen und Anzeigenerlöse setzen müssen. Ich denke, hier liegt eine Ursache: Der Verlag verdient sein Geld nicht mit seinen Lesern, sondern mit einem Auftraggeber, der Leser gewinnen möchte. So entstehen hochwertige Corporate-Produktionen, die für Laien oft schwer von journalistischen Produkten zu unterscheiden sind. Wenn viele jetzt über Zeitungssterben und einen veränderten Medienkonsum reden, wird dieser Aspekt oft nicht wahrgenommen.

Rein wirtschaftlich betrachtet mag die Entscheidung zur Einstellung oder dem Verkauf von Verlagstiteln nachvollziehbar sein, um Verluste zu vermeiden. Aber wie will man in dem Sektor künftig Geld verdienen? Da liegt die Frage auf der Hand, ob jetzt mit dem freigesetzten Know-How eine weitere Expansion der Corporate Media Sparte geplant ist? Schliesslich bringen die dort beschäftigten Journalisten eine Menge Wirtschaftswissen mit.

Wurzeln im Verlagsgeschäft

Der G+J-Bereich Corporate hat übrigens einen Teil seiner Wurzeln in der Financial Times: 2005 beauftragte die Unternehmensberatung PWC dort ein Kundenmagazin, obwohl man sich dort bisher nicht mit Corporate Publishing befasst hatte. So steht’s im G+J-Geschäftsbericht 2011. Dort findet sich auch der Hinweis auf die Zugehörigkeit zum G+J Verlagsteil “Wirtschaftsmedien” – genau die Sparte, die jetzt bis auf 20 Mitarbeiter eingedampft werden soll. Wobei sich mir noch nicht erschließt, wie man allein die “Capital” mit dieser Rumpfmannschaft stemmen möchte…

Jost

Veröffentlicht von

Fünf Jahre war ich als Pressesprecher beim Öko-Energieversorger WEMAG erster Ansprechpartner für Journalisten und habe Blogs, yotube- und Twitter-Kanäle betreut, ebenso wie Kundenmagazine. Aktuell betreue ich die WEMAG-Tochter ReeVOLT! Freiberuflich bin ich als Berater, Keynote-Speaker, Autor und Blogger aktiv. Gelegentlich trifft man mich auf Kommunikationstagungen, beim DJV oder bdew. Hier schreibe ich aus meinem beruflichen, privaten und kreativen Alltag. Meine Social-Media Profile wie z.B. Google+ sind oben verlinkt.

1 Kommentar » Schreibe einen Kommentar

  1. Der Name FTD hat weit mehr Wert als man nun einstampfen wird. Mit dem Ruf hätte man die Zeitung mit gewissen Verlusten auch wieder wirtschaftlich machen können.

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